Im Hotel angekommen, ziehen wir uns schnell um und bringen unsere kleine Musikanlage, die wir extra für diesen Abend aus Deutschland mitgebracht haben, in die Gesellenherberge, wo wir eine musikalische Lesung mit den Büchern „Auf der Walz“ und „Mit Stock und Hut“ abhalten werden. Mit einem etwas ramponierten Fahrradanhänger kutschieren wir unsere Sachen, begleitet von ungläubigen Blicken der Passanten, durch die schöne Fußgängerzone. Nachdem wir die Anlage aufgebaut und die Gesellen Stühle und Bänke hergerichtet haben, grinsen wir uns an, denn auch unser schwarzgewandeter Freund hat sich wieder eingefunden. Hierbei handelt es sich um einen orthodoxen Wander- und Bettelmönch, der seit ein paar Wochen vor der Gesellenherberge (Casa Calfelor) herumlungert und von den Walzbrüdern bereitwillig durchgefüttert wird. Für geistlichen Beistand ist also gesorgt und der Himmel ist uns auch durchaus gewogen, denn trotz dräuender Gewitterwolken regnete es nicht.
Auf Einladung von Ingeborg hat sich auch die hiesige Konsulin Frau Judith Urban eingefunden, der unser Vortrag sichtlich Spaß macht. Sowohl die Diplomatin als auch Frau Ingeborg Szöllösi waren angenehm überrascht, dass hier nicht einer einfach so vor sich hin liest, sondern Lesungen sich mit Musikstücken sowie interessanten Textbeiträgen abwechseln, seien es nun die blutrünstigen Schilderungen unseres Landsknechts Wilfried oder die dramatische Lebensbeichte unseres inzwischen zum Mönch mutierten Bruders Bernhard. Auch unser verhinderter Geschichtsgelehrter Eckhard konnte sich mit einem historischen Abriss jener Zeit profilieren, so dass keine Langeweile aufkam. Im Gegenteil mussten wir auch an diesem Abend wieder mehrere Zugaben spielen. Bevor die zahlreichen Zuhörer uns in den verdienten Feierabend entließen, wollten sie natürlich noch das bei den Gesellen sehr populäre „Einheimischlied“ hören und Jimmy, der dieses Lied komponiert hat, erfüllte ihnen diesen Wunsch gerne. Nach dem obligatorischen Gesellenfoto führte Anda uns hungrige Musiker in eine traditionelle Kellerwirtschaft, wo sie für uns aus der Speisekarte die hiesigen Schmankerln auswählte. Leider konnte Jimmy nicht mit uns zum Essen gehen, da er sich mit seinen rechtschaffen Fremden Zunftgenossen im mittelalterlichen Töpferturm zum Gesellenabend traf. Wir anderen müssten wieder den als Aperitif gereichten Pflaumenschnaps trinken, bevor wir uns über das hervorragend zubereitete Mahl hermachten.
Und wie am Vortag konnten wir uns nicht dazu durchringen, zu dieser doch schon fortgeschrittenen Uhrzeit ins Hotel zurückzukehren. Stattdessen suchten wir eine Kneipe auf, die den rechtschaffenen Maurern als Herberge dient, und wo wir unseren erschöpften aber glücklichen Jimmy wiedertrafen.
OPEN END…